PETRA GNAUERT IM INTERVIEW MIT HORIZONT

Seit April 2021 steht Petra Gnauert an der Spitze von IPG Mediabrands. In ihrem ersten ausführlichen Interview mit HORIZONT erläutert sie, wie das Netzwerk zur ersten Adresse für junge Talente machen will und nimmt auch zu kontroversen Branchenthemen Stellung. 

Es ist nicht lange her, da war das Media-Business bei IPG fest in Männerhand: Christian Scholz war erfolgreich CEO bei Initiative, der Ranghöchste bei Universal McCann (UM) hieß Sven Weisbrich und in der Holding IPG Mediabrands führte Thorsten Schulz das Kommando. Heute stehen drei Frauen an der Spitze: Im September 2020 traten Diana Degraa und Stefanie Tannrath ihre CEO-Posten bei Initiative und UM an, über ihnen thront Petra Gnauert als Chefin von IPG Mediabrands. Gnauert (Ex Publicis), Degraa (Ex Plan Net) und Tannrath (Ex Carat) – das ist, keine Frage, eine interessante Konstellation.

Hat sich unter Gnauert bereits Substanzielles verändert? Durchaus. Gnauert hat sich nicht nur ein neues Führungsteam zusammengestellt, sondern rüstet auch die Service-Unit Magna auf, was weitreichende Folgen haben könnte. Auch bei der Performance, um die es in den vergangenen Jahren nicht zum besten bestellt war, scheint es erste Erfolge zu geben. Im Interview sagt Gnauert: „Wir sind 2021 als Gruppe deutlich zweistellig gewachsen. Deutlich zweistellig heißt nicht 50 Prozent, aber auch nicht 10 Prozent. Es zahlt sich also bereits aus, dass wir Strukturen verändert und hervorragende Talente ins Haus geholt haben.“ 

Und, nicht unwichtig für jemand an der Spitze eines Netzwerks: auch zu branchenpolitischen Themen hat Gnauert etwas zu sagen, was über „der Kunde steht im Mittelpunkt und „wir müssen alle agiler und innovativer werden“ hinausgeht. Zum Mega-Trend, immer stärker auf personalisierte Werbung zu setzen, sagt sie: „Wenn wir ehrlich sind, müssen wir doch alle zugeben, dass das in der Vergangenheit bei weitem nicht so gut funktioniert hat, wie es angepriesen war. Wir müssen aufpassen, die Branche nicht weiter zu verunsichern.“ Und an die Adresse der TV-Vermarkter: „Niemand hat ein Interesse daran, die US-Plattform maßlos wachsen zu lassen. Aber wenn TV weiter inflationiert, gleichzeitig die Reichweiten zurückgehen und die Programmqualität teilweise unterirdisch ist, muss ich mich als Mediaagentur fragen, ob es nicht bessere Alternativen gibt. Wir haben schon jetzt eine sehr große Diskussion im Markt, wie viel TV-Share wir unseren Kunden noch empfehlen können. Diese Frage steht im Raum, das sollten die TV-Vermarkter nicht unterschätzen.“ 

Unter Ihrer Führung hat Magna massiv an Bedeutung gewonnen. Was ist die strategische Idee dahinter? Die Ausgangsfrage war: Was ist für eine Agentur das entscheidende differenzierende Merkmal? Die Antwort lautet: Beratung. Die muss so individuell wie möglich sein. Viele andere Funktionen haben wir jetzt in Magna gebündelt, allen voran die gesamte operative Mediaplanung. Dadurch konnten wir unsere Agenturen Initiative und UM verschlanken und konsequent auf Beratung und Data Analytics fokussieren. Wir begreifen Magna als zentrales Kompetenzzentrum, auf das unsere Agentur-Brands zugreifen können. 

Wie viel Prozent der Mitarbeiter von IPG Mediabrands arbeiten noch für die die einzelnen Agenturen, also Initiative, UM und Reprise? Rund die Hälfte. 

Zu Magna gehört auch die Einkaufsgesellschaft Magna Global Mediaplus, Ihr Joint Venture mit der Serviceplan-Tochter Mediaplus. Steht MGMP zur Disposition? Nein, warum sollte es? Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend. Zu den ersten Leuten, die ich in meinem neuen Job angerufen habe, gehörten Serviceplan-Inhaber Florian Haller und Matthias Brüll von Mediaplus. MGMP wird mit einer maximalen Transparenz geführt, es gibt überhaupt keinen Grund, daran irgendetwas zu ändern. 

Wie stark nehmen Sie Einfluss auf Strategie und Positionierung von Initiative und UM? Ich bin involviert, sage aber Stefanie Tannrath und Diana Degraa ganz bestimmt nicht, was sie strategisch zu tun haben. Hinzu kommt, dass die beiden Brands in Deutschland zwar an mich berichten, gleichzeitig aber Teil eines internationalen Networks sind. Die Brand Proposition von Initiative und UM sind global getrieben. 

Wie stark engagieren Sie sich bei wichtigen Pitches? Bei Publicis war ich bei großen Pitches oft sehr intensiv dabei, heute halte ich mich da mehr zurück. Ich sehe meine Aufgabe bei IPG Mediabrands eher darin, Teams zusammenzustellen und beim richtigen Technologie-Set-Up zu helfen. Und natürlich werfe ich einen genauen Blick auf die Commercial Offers, mit denen wir in Pitches gehen. 

Sie haben Magna neu aufgestellt und neue Leute ins Unternehmen geholt. Ist strategisch damit das Wichtigste erledigt oder stehen noch große Umbauarbeiten an? Es ist an allen Ecken und Enden noch viel zu tun, aber was unsere Aufstellung betrifft, war 2021 tatsächlich das Jahr der Disruption – sowohl für IPG Mediabrands als auch die einzelnen Brands. Ein ganz großes Thema, das uns hier wirklich intensiv beschäftigt, ist die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Wir haben zum 1. Januar unser neues Arbeitsmodell NJU:Work eingeführt, mit dem wir ein klares Zeichen für modernes und hybrides Arbeiten setzen. Unser Ziel ist eine maximal mögliche Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance für unsere Mitarbeitende. 

Dass Sie so stark auf New Work setzen, erinnert an Ulrike Handel, die 2021 ihren CEO-Job bei Dentsu verlor. Eigentlich gelten Sie ja vor allem als ausgewiesene Mediaexpertin – warum jetzt diese Betonung auf Themen wie Diversity, Gender und Work-Life-Balance? Weil es absolut wichtig ist, auch mir persönlich – aber das bedeutet ja nicht, dass Business-Themen nicht nach wie vor im Mittelpunkt stehen. 

Wie würden Sie sich selbst beschreiben? Als CEO werden Sie letztlich an Zahlen gemessen und müssen entsprechend tough sein. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, dem vor allem Respekt und Wertschätzung wichtig ist. Wenn ich sehe, dass jemand respektlos behandelt wird, knallt es, so ein Verhalten toleriere ich einfach nicht. Da ist es mir auch völlig egal, ob es sich um einen Leistungsträger oder wen auch immer handelt. Ich gehe mit jedem Menschen respektvoll um und wertschätze die jeweilige Arbeit, von der Reinigungskraft genauso wie vom CEO. Vertrauen und Menschlichkeit sind für mich unabdingbar, aber das heißt ja nicht, dass wir hier Softball spielen. Natürlich habe ich klare Business-Ziele, und das weiß auch jeder. Aber diese Ziele können wir eben viel besser erreichen, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und Spaß bei der Arbeit haben. 

Wenn wir schon beim Thema Respekt sind: Wie fanden Sie es, dass Stefanie Tannrath so deutlich zu Hate Speech Stellung bezogen und gefordert hat, Mediaagenturen sollten hier mehr Verantwortung übernehmen? Die meisten Agentur-Manager ducken sich bei diesem Thema ja gerne weg. Wollen Sie die Gelegenheit nutzen, auf Distanz zu gehen zu Tannraths Appell? Auf gar keinen Fall distanziere ich mich von Stefanie Tannrath! Sie hat meine hundertprozentige Rückendeckung, und das ganz unmissverständlich auch bei diesem Thema. Ich finde es wichtig, dass man Flagge zeigt. Sie werden nie erleben, dass ich Ihnen irgendein Wischiwaschi erzähle und mich bei wichtigen oder kritischen Themen aus der Affäre ziehe. 

Ist das Media-Business härter geworden? Ach, das ist immer so ein Spruch kurz vor Weihnachten: „Das war diesmal ein ganz besonders anstrengendes Jahr.“ Ich würde nicht sagen, dass es härter geworden ist – aber es ist sicher komplexer und dadurch auch spannender geworden. 

Sie kennen die Mediaagentur-Branche seit langem – was würden Sie sagen, welches Network ist aktuell am besten aufgestellt? Ich finde, die großen Netzwerke sind sehr nah beieinander, alle gehen auf die gleichen Themen. Das ist auf der einen Seite positiv, weil die Leistungen der Agenturen so gut miteinander vergleichbar sind. Andererseits macht es das natürlich schwierig, sich wirklich zu differenzieren. Man sieht das in allen großen Pitches. Da passen teilweise nur Pfefferminzplätzchen zwischen die Agenturen – ein Pfefferminz-Plätzchen im Buying, ein Pfefferminz-Plätzchen in der Strategie, eines in der Daten-Kompetenz et cetera. Deshalb ist es wichtig, immer auch an die nächsten zwei, drei Jahre zu denken und den anderen hier einen Schritt voraus zu sein. Mir macht das Spaß, an ehrgeizigen Zielen zu arbeiten. 

Was halten Sie von dem Trend, Werbung immer stärker zu personalisieren – beziehungsweise das als großes Ziel auszurufen? Wenn wir ehrlich sind, müssen wir doch alle zugeben, dass das in der Vergangenheit bei weitem nicht so gut funktioniert hat, wie es angepriesen war. Wir müssen aufpassen, die Branche nicht weiter zu verunsichern. Natürlich ist auch für uns eine datengestützte Ansprache von Zielgruppen ein überragend wichtiges Thema. Aus diesem Grund haben wir unsere globale Technologie-Marke Kinesso im vergangenen Jahr auch in Deutschland gelauncht und optimieren so unser Daten-Produkt. Gemeinsam mit Kinesso und Acxiom können wir unseren Kunden Antworten geben auf die Frage, wie personalisierte Werbung aussehen muss, damit sie wirklich funktioniert. Erste Kampagnen sind gerade angelaufen, um die neuen Technologien zu testen. 

Lesen Sie das gesamte Interview direkt hier bei Horizont.

 

WEITERE ARTIKEL